„Manche leuchten, wenn man sie liest“ steht außen an der Kieler Universitätsbibliothek. Jahrelang habe ich nur „Manche leuchten“ gelesen, weil ich immer nur von der einen Seite in die Bibliothek gegangen bin. Ich habe dann gedacht: „Jo, manche leuchten. Meinen die jetzt besonders begabte Studierende?“ Erst in diesem Jahr habe ich auf der Internetseite der Unibibliothek den kompletten Spruch gelesen. Dann war klar: Bücher, sie meinen Bücher. Oder Sätze. Oder Wörter.
Das Wort „Schibboleth“ hat für mich letztens geleuchtet. Ich mag den Klang. Ich hatte keine Ahnung, was es bedeutet. Gefunden hatte ich es in dem Buch „Mit fremden Federn“ von Anett Kollmann. Anett habe ich in einer Schreibwerkstatt in Wolfenbüttel kennengelernt. Aber zurück zum „Schibboleth“. Die Erklärung auf Wikipedia hat mich so neugierig gemacht, dass ich auf Nerdausflug in die Unibibliothek gegangen bin.
Zuerst habe ich das Gedicht „Schibboleth“ von Paul Celan gelesen, abgeschrieben, einzelne Zeilen leise vor mich hin gesprochen und bin dann mit dem Gedicht in Gedanken nach Spanien gereist. Möwen kreischen und springen auf den Oberlichtern des Freihandbereichs der Bibliothek herum. Lärmen. Lassen mich denken, ich sei ganz nahe am Hafen oder einer Fischfabrik. Aber ich bin in der Bibliothek und mache mich auf den Weg zum offenen Magazin im Keller.
Dort lese ich in der Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik den Aufsatz: „Schibboleth/ Sibboleth: Phonographie und kulturelle Kommunikation um 1900“. Ich lerne, dass es eine Analyse des Schibboleth von Jacques Derrida gibt, notiere ein paar Zitate und beende mit dem Kommentar: „Spannender Aufsatz.“
Wieder im Freihandbereich ans Tageslicht lockt mich der „Antiimperialismus als Schibboleth“ in dem Buch „Die RAF und der linke Terrorismus“. Dazu notiere ich: „Eine Grenze, Abgrenzung die nicht für alle sichtbar ist. Jetzt bekomme ich eine Ahnung von der politischen Verwendung im Zusammenhang mit der RAF.“
Mein letztes Buch für diesen Tag ist „Was Sie immer schon über Lacan wissen wollten und Hitchcock nie zu fragen wagten.“ Im Vorwort lese ich über das Hitchcocksche Schibboleth. Aber mein Kopf ist voll, ich verstehe nichts mehr und beschließe dieses Buch als einziges auszuleihen. Ungelesen habe ich es dann Wochen später knapp Fristgerecht wieder zurück gegeben.
Erzählt habe ich dir von der Unibibliothek, leuchtenden Wörtern und meinem Nerdausflug, weil heute am 24. Oktober Tag der Bibliotheken ist. Gehst du in Bibliotheken? Leuchtet für dich manchmal ein Buch, ein Satz oder ein Wort?
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