Krimigespräche beim Frühstück. Spaziergänge zum Nachdenken und Kopf sortieren. Viel Schreibzeit. Schreibgespräche beim Abendessen. Mit den fünf Krimiautorinnen Marlies Ferber, Regine Kölpin, Annette Petersen, Kirsten Püttjer und Cornelia Schmitz bin ich eine Woche, vom 28. Januar bis 3. Februar 2019, auf Schreibklausur im Alfred-Döblin-Haus in Wewelsfleth. Die Woche ist entspannt, produktiv und macht eine Menge Spaß.
Spaziergangsgedanken
Das alte Haus (mein Zimmerfenster ist das linke von den beiden Fenstern im gelben Teil der Hausfassade). Die Stille. Die Stille vom Land. Eine geerdete Stille. An der Westküste herrscht eine schwere Stille. Westküstenstille. Den Weg zum Deich gehe ich täglich. Irgendwie erinnern mich die Häuser an Meldorf, die Stadt an der Westküste in der ich aufgewachsen bin. Ich denke plötzlich auf Plattdeutsch. Idyllisch.
Am Haus Deichreihe 27 lese ich in weiß auf rot, dass die Häuser die Deichlinie waren, bevor der Deich gebaut wurde und bei Sturmfluten Schotten zwischen die eng zusammenstehenden Häuser geschoben werden mussten. Wenn ein Haus weggeschwemmt wurde, war das eine Bedrohung für die ganze Wilstermarsch. Nicht mehr idyllisch.
Schreiben
Unter der Dachschräge auf der Empore in meinem Zimmer habe ich mir einen kuscheligen Platz eingerichtet. Ich sitze auf dem Holzfußboden und träume aus dem Dachfenster in den sonnigen Himmel, nehme die oberen Äste einer Birke wahr. Unten auf der Dorfstraße höre ich Autos vorbei fahren.
Ich habe grüne und pinke Klebezettel auf den Holzfußboden der Empore geklebt. In diesem kleinen geschützten Raum sortiere ich die bisher geschriebenen Szenen zum nächsten Taval-Krimi und fülle die gefundenen Lücken auf.
Die Kirchturmuhr schlägt zwölfmal und die Werkssirene der benachbarten Werft heult. Ich sitze an meinem kleinen Schreibtisch dicht neben der Heizung. Dort tippe ich die auf der Empore entstandenen Ideen und Gedanken in meinen Laptop.
Am langen Küchentisch schreibe ich zwei der drei Ansichtskarten. Das Postkartenmotiv ist die Trinitatis Kirche in Wewelsfleth. Für das Postkastenfoto halte ich alle drei Postkarten in den Briefschlitz, weil drei schicker aussehen als nur zwei. Nachdem ich das Foto gemacht habe, werfe ich alle drei in den Briefkasten. Zwei geschriebene, eine ungeschriebene. Mist!
Das Haus und seine Gäste
In der guten Stube lese ich den Anfang des Romans „Berlin Alexanderplatz“ von Alfred Döblin. Günther Grass hat Alfred Döblin als Vorbild betrachtet und ihm zu Ehren sein Haus nach ihm benannt. Ich komme nicht so recht in das Buch hinein, finde den Schreibstil umständlich. Jemand wird aus dem Gefängnis entlassen. Da denke ich an Taval und steige die zwei Treppen hoch in meine Schreibstube unterm Dach.
Herzliches Frauenlachen schallt aus der Küche nach oben zu mir. Am Mittwochabend sind die Wewelsflether Krimiautorinnen Heike Denzau und Anja Marschall bei uns am großen Küchentisch zu Gast. Anja haben wir Mörderische Schwestern zu verdanken, dass wir hier sein können. Wir speisen einfach und ausgezeichnet: Spaghetti mit super Tomatensoße und Salat. Dazu guten Rotwein, natürlich Krimigespräche. Später singen wir: von „Molly Mallone“ über „Aber bitte mit Sahne“ zu „Dat du mien Leevsten büst“.
Désirée Tiedemann, Hausdame des Alfred-Döblin-Hauses und die zweite Frau, die unseren Aufenthalt hier möglich gemacht hat, führt uns an einem Nachmittag durch das alte Haus. Sommerhaus, Kirchspielvogtei, Büro und Lager der Junge-Werft, Kaufmannsladen, Zuhause von Günther Grass. Der hat sein Haus der Stadt Berlin überlassen, jetzt beherbergt das Haus pro Jahr 3 x 3 StipendiatenInnen jeweils für drei Monate. Und einmal pro Jahr eine Woche eine Gruppe mörderischer Schwestern.
Zwei Galionsfiguren jeweils an einem Treppengeländer zeugen in der Küche von der Werftvergangenheit, im Eingangsbereich erzählen die roten Schubladen von der Zeit als Kaufmannsladen. Die Spinnenweben im Treppenaufgang des alten Sommerhauses gehören zum Inventar und dürfen nicht weggewischt werden. Désirée betreut die Stipendiaten im Haus 24/7, damit die hier ungestört schreiben können.
Annette kauft für uns am Sonnabend die Zeitungsbestände des Dorfladens auf, denn über uns ist ein sehr guter Bericht in der Norddeutschen Rundschau. Auf shz.de kannst du online das schöne Gruppenbild ansehen und den Textanfang lesen.
Letzter Spaziergang und Abschied
Am Samstag machen Cornelia und ich einen langen Spaziergang hinter dem alten Deich entlang. Ich mag die alten großen Marschhöfe anschauen, die gefrorenen Wettern. Über dem Deich fliegen Wildgänse in tollen Formationen auf.
Noch ein wunderbarer geselliger Abend am langen Küchentisch. Nach dem leckeren Abendessen schreiben wir ins Gästebuch des Hauses und dann liest Kirsten uns ihre hier in Wewelsfleth geschriebene Kurzgeschichte vor. Wir applaudieren. Am Sonntagmorgen heißt es Abschied nehmen: von dem alten Gemäuer und den wunderbaren Frauen.
Aus den Krimis der Schreibklausur-Autorinnen habe ich mir eine feine Leseliste zusammengestellt. Die Bücher habe ich schon im Zapata, meinem Kieler Lieblingsbuchladen, bestellt. Wenn ich die Bücher gelesen habe, berichte ich hier im Blog davon.
6 Antworter auf Schreibklausur: eine Woche mit mörderischen Schwestern im Alfred-Döblin-Haus in Wewelsfleth