Ich mag gehen. Gehen, um der Bewegung willen. Gehen, um neue Eindrücke zu sammeln. Gehen, um mich zu fühlen. Gehen, um den Tag zu fühlen. Gehen, um das Gehirn auszulüften und Gedanken in Bewegung zu bringen. Morgens fange ich erst mal mit einer kleinen Runde um den Block an, bevor ich mich zum ersten Mal an den Schreibtisch setze. Ich starte mit einer kleinen Runde, damit es mir ganz leicht fällt, die erste Runde auch wirklich zu gehen.
Mit meinen Gedanken die Körperhaltung beeinflussen
Diese Runde geh ich meist mit Barfußschuhen, weil ich mich und den Weg fühlen möchte. Ich stelle mir vor, jeder Zentimeter Boden unter meinen Füßen würde mir gehören. Den Gedanken habe ich aus dem Buch „Die Ballade von traurigen Café“. Dort beschreibt die Protagonistin den Gang eines Gastes so. Das habe ich dann gleich mal ausprobiert und der Satz hat meine Körperhaltung verändert. Ich gehe aufrechter.
Die Körperhaltung eines Polizisten nachahmen
Ich mag dieses Spiel, zu schauen, was Gedanken mit der Körperhaltung machen. Genauso mag ich die Körperhaltung von anderen Menschen nachahmen und sehen, was das mit meinen Gedanken und Gefühlen macht. Neulich bin ich einem Polizisten ein Stück gefolgt. Ich bin genauso breitbeinig und mit breiter Brust gegangen wie er. Da fühlte ich mich gleich etwas mächtiger. Ich habe das nicht lange gemacht, denn ich kann mir vorstellen, dass der es in seiner Rolle als Polizist nicht lustig gefunden hätte, wenn ich ihn nachahme.
Runde um den Block – das erste Stück
Wenn ich das Haus verlasse, fühle ich als erstes, wie das Wetter und die Luft ist. Heute ist es zwar bedeckt, aber wärmer als ich dachte. Dann mache ich ein Foto und poste es in meiner Instagram-Story. Danach mache ich ein Boomerang-Video auch für die Instagram-Story. Dann gehe ich weiter nur mit mir und der Umgebung. Meine erste Runde ist wirklich nur ganz kurz, einmal um einen Häuserblock.
Wenn die Frau vom Zeitungsladen auf der anderen Straßenseite draußen vor ihrem Laden sitzt, winken wir uns zu und lachen. Heute sitzt sie nicht draußen und ich freue mich über die Blumen, die aus den Ritzen zwischen den Gehsteigziegeln wachsen. Orangefarbene Mohnblumen, gelbe, weiße und rote Stockrosen.
Runde um den Block – das zweite Stück
Vor der Kunstgalerie sogar ein weiß blühender Rosenbusch. Vor dem Fenster der Galerie bleibe ich manchmal stehen und versenke mich in das Bild, das dort ausgestellt ist. Dann konzentriere ich mich wieder aufs Gehen und wie ich mich fühle.
Heute schmerzen meine Füße ein wenig. Ich müsste eigentlich regelmäßig Fußgymnastik machen. Das schaffe ich irgendwie noch nicht wirklich. Ganz selten mache ich meine Übungen. Aber wenn ich weiterhin regelmäßig schmerzfrei gehen will, muss ich das machen. Zum Glück kommt mir ein Mann mit Sonnenbrille, raspelkurzen Haaren, schwarzem Blouson und schwarzer Jeans entgegen. Der lenkt mich von den Fußgymnastik-Gedanken ab.
Runde um den Block – das dritte Stück
Dann biege ich wieder um eine Ecke. Auf diesem Stück kann ich den Kieler Rathausturm sehen. Einer meiner Lieblings-Blicke in meiner Stadt. Auf diesem Wegstück passiert meistens nicht viel mehr.
Heute komme ich an einem Hauseingang vorbei an dem mehrere Zettel kleben. Ein Computerausdruck in einer Klarsichthülle und zahlreiche kleine Zettel und ein DinA 4 Zettel kleben an dem Ausdruck, der der Ausgangszettel zu sein scheint, herum.
Eine Nachbarin hat sich über stinkenden Müll, lärmende Menschen und das kreischende Lachen einer jungen Frau mitten in der Nacht beschwert. Auf den andern Zetteln wird verteidigt, verhöhnt und entschuldigt. Mit einem dicken schwarzen Stift hat jemand BOOMER auf die Klarsichthülle geschrieben.
Runde um den Block – das vierte Stück
Ich geh weiter und biege in die nächste Straße ein. In dieser Straße mache ich ein oder mehrere kurze Videos in denen ich erzähle, was ich für den Schreibtag geplant habe. Heute habe ich drei Sachen vor: an der wöchentlichen Kurzgeschichte schreiben, zehn Minuten am zweiten Taval-Krimi schreiben und einen Blogbeitrag schreiben. Ich überlege mir meist am Abend vorher, was ich am nächsten Tag machen möchte und mit dem Video erzähle ich mir das quasi selber nochmal.
Wieder Zuhause poste ich meinen Tagesplan in meine Instagam-Story und habe damit meine Follower als Accountability-Partner. Normalerweise halte ich mich auch an die geplante Reihenfolge. Ich wollte nur kurz die Eindrücke von meiner Morgenrunde festhalten, solange die Eindrücke noch frisch sind. Über meine Runde um den Block habe ich jetzt soviel erzählt, dass ich über meine anderen Spaziergänge und das Schreiben und Spazierengehen in einem anderen Blogbeitrag erzähle.