Mein Motto, das ich mir im Jahresrückblick 2022 für 2023 gegeben hatte, lautete „kriminell glamourös“. Das hatte ich schnell vergessen und als ich beim Schreiben des Jahresrückblicks 2023 das Motto wiedergefunden habe, war ich höchst überrascht. Einmal über das tolle Motto und noch mehr, dass es sich erfüllt hat.
Mein 2023 hatte verdammt kriminell- glamouröse Momente
- Mein persönlicher Applaus nach der erfolgreichen Aufführung des Krimidinners in Sophienhamm. Das ich als Krimiautorin begleitet und mit den Dorfbewohner*innen geschrieben habe.
- Auf der Bühne sitzen während mein Song, den ich angelehnt an „Hallelujah“ von Lennard Cohen getextet und im Tonstudio eingesungen habe, abgespielt wird.
- Auf der Buchmesse in Weinheim zur Veröffentlichung der Anthologie „Heu und Stroh – Mord(s)geschichten“ mit Ingrid Noll stehen und feststellen, dass ich mein Traumleben lebe.
- Eine Nacht im „The George“, einem Luxushotel in Hamburg, übernachten und dort schreiben.
- Zum ersten Mal in meinem Leben Business-Class fliegen.
- Jeden Morgen in Kiel mit einem specialty Coffee im Café und tollen Menschen in den Tag starten. Im Café von Krimileser*innen angesprochen werden, die mir erzählen, dass sie „Taval und die nackte Katze“ gelesen haben und sehnsüchtig auf den zweiten Band warten.
- In den Kieler Nachrichten, auf Plakaten und im Programmheft des zweiten Kieler Krimi Festivals stehen, weil ich bei der Auftaktveranstaltung dabei bin.
Es braucht ein ganzes Dorf, um einen Krimi zu schreiben
Im Februar bekam ich eine E-Mail mit dem Betreff: „Dorf sucht Krimiautorin“. Die Anfrage kam von Johanna Haensel von KreisKultur und dem Dorf Sophienhamm. Fix auf die Karte geschaut und festgestellt, Sophienhamm ist winzig und liegt mitten in Schleswig-Holstein.
Die Dorfbewohner*innen wollen ein Krimidinner veranstalten und ich soll mit ihnen einen Krimi dazu schreiben. Darauf hatte ich große Lust und obwohl ich das noch nie gemacht hatte, wusste ich, das kann ich. Ich habe genug Erfahrungen und Skills in meinem Leben für die Aufgabe gesammelt.
Neugierig und vorfreudig bin ich Ende Februar nach Sophienhamm zum Krimidinnervorgespräch gefahren. Das Projekt war mir so wichtig, dass ich meine Abneigung gegen das Autofahren dafür beiseitegelegt habe. Ich hatte mir ein Auto gemietet, da ich keins besitze und mit öffentlichen Verkehrsmitteln wäre die Fahrt extrem aufwendig gewesen.
Bei dem Vorgespräch im Gemeindehaus in Sophienhamm, einem kleinen Dorf am Hartshoper Moor, haben wir festgestellt, dass wir miteinander arbeiten können und ich habe anschließend eine maßgeschneiderte Krimiwerkstatt erstellt. Dabei habe ich festgestellt, wie viel ich im Laufe der Jahre über das Krimischreiben gelernt habe und dass es an der Zeit ist, dieses Wissen weiter zu geben.
Regelmäßig fahre ich in den nächsten Monaten am Montagabend nach Sophienhamm (mittlerweile bin ich Mitglied bei einem Carsharinganbieter). Ich genieße die Abende sehr. Wenn ich ankomme, tauche ich zuerst in die Stille des Dorfes ein und oft mache ich einen Spaziergang ins Moor.
Dann arbeiten wir 2-3 Stunden intensiv in der Gruppe am Krimi. Zuerst habe ich eine Struktur für einen Krimi und das Krimipersonal vorgestellt und in einem intensiven Brainstorming sprudeln und prasseln, die Ideen der Teilnehmer*innen auf mich ein. Meine Aufgabe ist das Sammeln, Lenken und dann für das nächste Treffen vorbereiten.
Dabei helfen mir und uns Playmobil-Figuren, die ich von Johanna von KreisKultur, zur Verfügung gestellt bekommen habe. Mit den Figuren stellen wir Szenen auf dem Tisch dar. Ich habe mir einen Prolog für den Krimi überlegt, den Rest des Textes schreiben wir tatsächlich gemeinsam.
Das ist für uns alle eine Herausforderung. Manchmal geht es nur zäh voran, neue Ideen können nur noch in kleinem Rahmen aufgenommen werden und manchmal kann ich nicht so schnell tippen, wie die schönen Dialoge sprudeln werden. „Manchmal muss einfach einer weg“ wird das Krimidinner heißen.
Richtig schön ist, dass doch alle eine Rolle am Krimidinnerabend übernehmen wollen (das war zuerst nicht so) und dass alle ihre Figuren zwischen unseren Sitzungen weiter entwickeln. Als das Rohgerüst steht, kommt Dennis, der Dramaturg, der mit den Dorfbewohnerinnen proben wird, dazu.
Wir schreiben den Krimi weitestgehend fertig und Dennis übernimmt die Probenarbeit. Ich bin dabei, begleite die Proben und schreibe Textänderungen, die sich während der Proben ergeben auf. Dabei sehe ich, wie der Krimi, den wir uns ausgedacht haben, zum Leben erweckt wird und das ist für mich etwas ganz Besonderes.
Die Generalprobe geht komplett schief. Wir nehmen, es als gutes Omen für den Aufführungsabend. Die Dorfbewohner*innen bedanken sich bei Dennis und mir für die Zeit und sagen, dass es ein intensiver und schöner Prozess für sie war. Das freut mich sehr, denn ich habe den Prozess auch als sehr gut empfunden.
Als am Abend der Aufführung die ersten Zuschauer*innen ankamen, wurde mir plötzlich durch und durch bewusst, das unser Krimi jetzt gleich vor einem Publikum in meinem Beisein in die Öffentlichkeit und damit in eine Beurteilung kommen wird.
Zu unserer aller Belohnung wird die Aufführung am 8. Juli 2023 im Gemeindehaus großartig. Der Saal ist mehr als ausverkauft und das Publikum ist von Anfang an begeistert dabei. Die Stimmung ist super. Die Dorfbewohner*innen schauspielern großartig. Das Publikum rät mit und applaudiert am Ende ausgiebig. Ich bekomme meinen ganz eigenen Applaus als verantwortliche Krimiautorin.
Glücklich und zufrieden fahre ich wieder nach Kiel. Im November haben wir uns alle zur Nachbesprechung in Sophienhamm im Gemeindehaus wieder gesehen. Wir haben den Abend als Film gesehen und uns über den Abend ausgetauscht. Damit war das Projekt offiziell beendet.
Ich bin sehr dankbar, dass ich dieses Projekt machen konnte. Auch für mich war es magisch zu erleben, wie aus Ideen und Playmobilfiguren, die ich auf einem Tisch aufgestellt, hingelegt und immer wieder aufgestellt habe, ein Krimidinner geworden ist, das funktioniert hat und das Publikum prima unterhalten hat.
Danke an Sophienhamm und Achim, Annemarie, Andrea, Astrid, Heiko, Janne, Jörg, Lea, Martina, Ranar, Ulla, Uwe und Solveig. Das war ein ganz besonderes Projekt mit euch und ihr werdet immer in meinem Herzen sein.
Zweimal „Hallelujah“ im Tonstudio
Das zweite große Projekt, dass mich im ersten Halbjahr 2023 beschäftigt hat, war Hallelujah von Lennard Cohen oder vielmehr die Hallelujah-Challenge, zu der mich meine Stimm-Coachin Anja verführt hat.
Zuerst war es als Gemeinschaftprojekt geplant: wir suche uns ein paar Zeilen aus Cohens Hallelujah, singen oder sprechen die ein und Anjas Tonmeister macht dann daraus einen Song. Das Projekt hat ein Eigenleben entwickelt und ist gewachsen.
Für mich sind zweimal zwei Stunden im Tonstudio daraus geworden, in denen ich einen eigenen Text zu Hallelujah eingesprochen und eine eigene Version eingesungen habe. Aus urheberrechtlichen Gründen kann ich keine der Versionen veröffentlichen. Ich kann euch also nur davon erzählen.
Für mich hat der Song „Hallelujah“ schon lange einen besonderen Reiz und als Anja mir von der Challenge erzählt hat, war ich natürlich dabei. Ich habe mir verschiedene Versionen angehört, den Film über Lennard Cohen geschaut, Musik von ihm gehört und Texte von ihm gelesen.
Dabei habe ich mich von der Magie des Songs berühren lassen und eines Vormittags auf dem roten Sofa in meinem Wohnzimmer ist dann mein Text aus mir geflossen. Ein Text über die Gewalterfahrungen in meinem Leben.
Ich habe drei Wochen gebraucht, bis ich den Text Anja geschickt habe. Nicht weil ich ihn nicht gut fand, sondern weil der Text so intensiv und so persönlich ist. Anja hat ihn mir dann vorgelesen und ich war von der Schönheit und Intensität meines Textes berührt.
Schnell war klar, diesen Text würde ich sprechen und nicht singen. Anja hat dann sanft drängend angefragt, ob ich nicht auch eine Cohen Version aufnehmen will, in der ich die Strophen sprechen und den Refrain singen könnte. Okay, hab ich gesagt.
Das nächst Mal hat sie gefragt, ob ich nicht den ganzen Text singen will. Okay, hab ich gesagt. Beim nächsten Mal hat sie gesagt, du singst doch einen eigenen Text, oder? Okay, hab ich gesagt und dann hat Anja mir geholfen, einen Liedtext zu verfassen.
Im Mai bin ich nach Fürth, dort lebt Anja, gefahren und habe Anja zum ersten Mal persönlich getroffen. Bisher hatten wir nur über Zoom gearbeitet. Nach intensiven Vorbereitungssessions ging es dann nach Nürnberg ins Tonstudio.
Am Eingang zum Tonstudio hat meine Seele beschlossen, sie bleibt draußen und sie lässt meinen Körper die Textaufnahme alleine machen. Jedenfalls hat es sich zuerst so angefühlt. Ich war krass nervös.
Von dem, woran ich mich erinnere, und das ist nicht so viel, hat Anja mich gut durch den Text geleitet. Irgendwann war dann auch alles im Kasten und ich war durch. Aber sowas von durch. Spaß gemacht hat das nicht.
Trotzdem stand ich am nächsten Morgen wieder im Tonstudio und habe meinen Song eingesungen. Das hat sogar an einigen Stellen ein klitzekleines bisschen Spaß gemacht. Irgendwann war dann auch das letzte „Hallelujah“ (wir brauchen noch ein soundso Hallelujah; ich hab einfach gemacht, gedacht hab ich nicht mehr) im Kasten.
Seit dieser Tonstudioerfahrung habe ich noch mehr Respekt vor Künstler*innen, die ihre Texte oder Songs aufnehmen. Ich finde es tatsächlich einfacher, auf einer Bühne zu sprechen als einen Text aufzunehmen. Zu einem Stück weit ist das sicher auch Gewöhnungssache.
Im Juli waren unsere Aufnahmen fertig gemastert und ich bin wieder nach Fürth gereist. Anja hat eine schöne Veranstaltung in einem Kino in Fürth zum Hallelujah-Abschluß organisiert. Vorher hat sie aber mit allen von uns, die Stücke einzeln angehört.
Ich war tief berührt vom Klang meiner Stimme und von dem Text, den ich geschrieben hatte. „So etwas Schönes habe ich noch nie gehört“, habe ich anschließend gesagt. Am nächsten Tag habe ich den Song angehört und ich habe geweint. Die Frau, die singt, zeigt sich sehr verletzlich und dass macht das Lied schön.
Am Abschlussabend konnten wir entschieden, ob unser Stück gespielt werden soll. Alle haben sich dafür entschieden. Ich habe entschieden, dass alle meinen Song anhören. Das war eine weitere besondere Erfahrung auf der kleinen Bühne auf dem schwarzen Sofa zu sitzen und zuzusehen, wie das Publikum mich singen hört. Mit zarter Stimme. Eine Liebeserklärung an meinen Mann.
Krimineller Messebesuch zur Anthologie-Veröffentlichung
Da ist sie! Sie leuchtet! Von innen! Ingrid Noll. Da ist sie! Sie ist schön! Sie ist mörderisch! Die Anthologie „Heu und Stroh – Mord(s)geschichten“. Das sind die zwei außerordentlich besonderen Momente an einem außerordentlich besonderen Wochenende. Endlich kann ich das Buch sehen und berühren. Ingrid Noll berührt mich. Ein Vorbild. So beginnt der Blogbeitrag „In „Heu und Stroh“ mit Ingrid Noll – Messewochenende in Weinheim“.
Anfang Oktober bin ich mit zwei Kolleginnen mit dem Zug nach Weinheim zur Veröffentlichung der Krimianthologie „Heu und Stroh – Mord(s)geschichten“ gefahren. Zuerst wollte ich nicht und dann war ich glücklich, dass ich die Veröffentlichung meiner Krimikurzgeschichte „Der Strohfigurenmord“ angemessen gewürdigt habe.
In meinem Kurzkrimi findet die Landwirtin Monika Feddersen eine Frauenleiche im Schoß einer Strohfigur auf ihrem Roggenfeld. Während sie in ihrem Heimatdorf an der Ostsee ermittelt, wird sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert.
„Der Strohfigurenmord“ hat mehrere Ebenen und klingt nach, wie mir Leser*innen bestätigt haben. Das freut mich sehr, denn auch für mich klingt dieser Kurzkrimi in mir nach. „Du schreibst noch besser“, war eine weitere Rückmeldung. Auch die macht mich glücklich, denn auch ich habe das Gefühl, das mein Schreiben sich verändert hat.
Ende November habe ich meinen Kurzkrimi für den GLAUSER-Preis des Syndicats eingereicht. Im Februar 2024 werden die Nominierten bekannt gegeben. Bitte halte mir die Daumen!
Von der Idee zu der „Heu und Stroh“ – Anthologie bis zur Veröffentlichung hat es 2,5 Jahre gedauert. Für meine Geschichte habe ich ein Exposé eingereicht und dann ein halbes Jahr später „Der Strohfigurenmord“ innerhalb einer Woche geschrieben. Mehr über das Schreiben des Kurzkrimis, wie es überhaupt zu der Anthologie gekommen ist und wie ich zur Geschichte recherchiert habe, kannst du im Blogbeitrag „Die lange Entstehungsgeschichte meines Kurzkrimis „Der Strohfigurenmord“ lesen.
Schreiben an verschiedenen Orten
In diesem Jahr habe ich in der Kieler Kunsthalle, in Zügen, Cafés, Hotels, einem Picknickplatz im Moor, an der Kieler Förde, im Stadtpark in Fürth, im Schrebergarten, in meinem Kieler Lieblingscafé, an meinem Esstisch und an meinem Schreibtisch geschrieben.
Dieses Jahr habe ich für das Schreiben unterwegs etwas neues ausprobiert: Vorher planen, was ich schreiben will, weil ich sonst zu abgelenkt von meiner Umgebung bin. Vor einer Zugfahrt nach Hamburg habe ich mir eine Liste gemacht, wo und wann ich schreiben will: Auf dem Bahnsteig, im Zug, wenn der Zug losfährt, wenn wir in Hamburg ankommen.
Genauso habe ich mir vorher überlegt, wo und wann ich im Hotel schreiben will. Ich hatte mir extra eine Nacht im „The George“, einem Hamburger Luxushotel, gegönnt. Im Frühstücksraum habe ich dann wunderbare Dialoge von anderen Gästen notiert. Diese werden bestimmt Figuren aus einem meiner zukünftigen Krimis führen.
An dem Platz im Moor in Sophienhamm habe ich Montagsmoorgedanken notiert. Die sollten eigentlich eine Geschichte werden. Bisher sind es noch Notizen und ich weiß nicht, wann ich sie verwenden werde. Sie sind ein Samenkorn, das noch nicht keimt.
In meinem Schrebergarten habe ich ein Schreibprojekt begonnen, das ich dieses Jahr fortsetzen werde und aus dem ein Krimi werden wird. Wie und was genau, darf sich noch entfalten.
Meine Morgenseiten habe ich meistens an meinem Esstisch geschrieben und manchmal auf Hotelzimmern oder in meinem Kieler Lieblingscafé. Ich habe begonnen viel leserlicher in den Morgenseiten zu schreiben. Darüber freue ich mich, denn oft habe ich gute Ideen oder schöne Formulierungen, die ich leider oft nicht mehr lesen konnte.
Über die Morgenseiten habe ich dieses Jahr endlich einen Blogbeitrag geschrieben. Ansonsten habe ich selten gebloggt. Ende Februar habe ich eine 100-Tage-Blog-Challenge gestartet und bin bis Tag 12 gekommen. Ende September habe ich an einer Blogparade teilgenommen und ein 5 Tage 5 Blogbeiträge Blogexperiment gestartet. Das Ergebnis waren 7 Tage und 5 Blogbeiträge und ein gut gefüllter Redaktionsplan zum Bloggen für den Rest des Jahres. Daraus wurde nix!
Am NaNoWriMo habe ich genau drei Tage mit geschrieben (der geht 30 Tage) und einen tollen Krimi begonnen. Ich habe im Hotelzimmer, auf einer Fähre und in einem Café geschrieben. Zuhause habe ich dann nicht mehr weiter geschrieben. Auf der Reise, über die ich im nächsten Abschnitt erzähle, ist auch ein großer, sehnsuchtsvoller Schreibwunsch entstanden.
Neue Eindrücke sammeln – vier Städte in vier Ländern
Der Liebste und ich sind zusammen verreist. Neun Jahre ist unsere letzte Flugreise her und zum ersten Mal fliegen wir Business-Class. So entspannt bin ich noch nie in meinem Leben geflogen. Das liegt daran, dass ich insgesamt entspannter durchs Leben gehe und dass in der Business-Class einfach viel weniger Menschen unterwegs sind.
Riga
Wir reisen zum ersten Mal ins Baltikum. Der Flughafen von Riga ist modern und gemütlich klein. Der Taxifahrer, der uns vom Flughafen zum Hotel bringt, spricht Englisch und ist gesprächig. Wir erfahren, wie das lettische Autokennzeichen-System funktioniert (das frage ich in jedem Land); in Lettland bezahlen einige Menschen vierstellige Beträge für ihr Wunschkennzeichen. Das Krimiautorinnengehirn arbeitet, kommt aber zu keinem Ergebnis.
In Riga begeistert mich das Jugendstilviertel, die Holzhäuser in verschiedenen Farben und die großen Markthallen in den alten Zeppelinhallen, durch die wir eine Führung inklusive lettischem Essen machen. Mich beeindruckt der gefärbte Kohl in gelb, orange, rot und lila und ich stelle fest, dass die merkwürdig schmeckenden Paprikastreifen, die ich zum Frühstück hatte, gefärbter Kohl waren.
Die lettische Nationalbibliothek bestaune ich nur von Ferne, dafür besuchen wir das Okkupationsmuseum und lernen viel über die Zeit, als Lettland zur UdSSR gehörte. Natürlich besuchen wir auch zwei specialty coffee Cafés und dann fahren wir mit dem Flixbus nach Tallinn.
Tallinn
In Tallinn kann ich die Reiseleitung an einen Freund übergeben, der uns am Bus abholt und dann 2,5 Tage mit uns 35 km durch Tallinn läuft. Zwischendurch fahren wir auch Straßenbahn, was mich sehr begeistert, vor allem als wir ganz hinten stehen. Ich könnte einen ganzen Tag lang mit der Straßenbahn fahren.
Wir besuchen sechs specialty coffee Cafés und trinken den besten Kaffee auf unserer Reise in der Papermill-Coffee-Roastery. Ansonsten schauen wir uns verschiedene Stadtviertel an, die Altstadt ist mittelalterlich, in den anderen Stadtvierteln stehen oft moderne Glasbauten neben Holzhäusern oder grauen Plattenbauten und es gibt alte Industrieviertel, deren Bausubstanz gekonnt in Neubauten integriert wurden.
Auf einem ausgiebigen Naturspaziergang an der Küste, wo es ähnlich aussieht, wie an der Steilküste in Dänisch Nienhof bei Kiel, ist eben auch eine Ostseeküste, riecht es intensiv nach Birken. Das mag ich.
Kulinarisch sind wir in Tallinn russisch unterwegs. Wir essen in einem typisch russischen Restaurant, wie uns unser Freund erklärt: Der Raum ist eher hallenartig und der Tresen steht an der langen Seite des Raums. Um uns herum wird überwiegend Russisch gesprochen und wir essen Blinis und trinken Kwas. Lecker!
Noch leckerer finde ich die Pelmeni, die ich am nächsten Abend in der Markthalle in Tallinn kennen lerne. Pelmeni sind Teigtaschen mit Füllung, ähnlich wie Ravioli. Meine sind mit Kartoffelbrei gefüllt und Röstzwiebeln und Dill bestreut. Dazu gibt’s Quark-Joghurt-Dip.
Helsiniki
Von Tallinn nach Helsinki sind es mit der Fähre nur zwei Stunden. Wir kommen am Nachmittag an, machen eine kleine Erkundungsrunde um das Hotel herum und trinken einen leckeren specialty Coffee in einem Café in derselben Straße wie unser Hotel.
Helsinki ist angenehm langsam und ruhig. In Riga war es entspannter als in Deutschland, Tallin war noch relaxter und Helsinki ist der Höhepunkt der Gechilltheit. Die Stadt erinnert mich an Hamburg nur ohne den Menschendruck, die Hektik und den Verkehr.
Auch durch Helsinki fahren Straßenbahnen und als erstes fahren wir zu der Eisbrecherpier an der fünf Eisbrecher liegen. Für mich erzählen die gigantischen Schiffe von Abenteuern im Eismeer. Begeistert entdecke ich, dass jedes Schiff einen eigenen Briefkasten hat. Das muss in irgendeinem Krimi von mir vorkommen.
Wir gehen am Wasser zurück Richtung Innenstadt, auf dem Weg halten wir in einem Café und dann besichtigen wir den Senatsplatz mit dem Dom. An dem Platz steht auch die finnische Nationalbibliothek und wenn wir da sind, können wir auch reinschauen. Außerdem hatte ich gehört, sie sei schön von innen.
Zunächst stehen wir in einer prunkvollen Halle mit Bücherregalen ringsherum und Malereien an der Decke. Ich streiche über die alten Schinken und ziehe das ein oder andere deutsche Buch aus dem Regal: Goethe, Gauß und Schiller.
Ich gehe den ganzen Raum ab, natürlich kann ich nicht alle Titel erfassen, aber trotzdem fällt mir die Leerstelle auf: kein Buch von einer Autorin. Ich weiß, dass das bei alten Buchbeständen so ist, aber je älter ich werde, desto mehr lerne ich, was diese Leerstelle bedeutet. Und desto mehr kotzt es mich an. Ich atme die Wut weg, denn die nützt in dem Moment nichts und sehe mich weiter in der Bibliothek um.
Dann betrete ich ihn, den magisch-mystischen Bereich der Bibliothek. Er ist oval, hat sechs Stockwerke und ich kann von Erdgeschoss auf das ovale Dachfenster mit dem Fenstermosaik aus Milchglas schauen.
Die Bücherregale sind in jedem Stockwerk sternförmig angeordnet, ich schreite tief berührt die schmalen Treppen empor und spüre in mir den starken Wunsch, eine Woche in dieser Bibliothek zu schreiben.
Und als wolle die Bibliothek mir sagen, dies ist dein Ort, hängen an einer Wand im vierten Stock Schautafeln mit Zeitungsausschnitten und Texten auf Deutsch über einen Kriminalfall: ein Mord an einem Philosophen Anfang des 20. Jahrhunderts.
Der sehnsuchtsvolle Wunsch, in die Energie dieser Bibliothek einzutauchen und eine Woche dort zu schreiben begleitet mich seitdem. Ich habe das starke Gefühl, dort etwas zu finden, während ich mich in der magisch-mystischen Energie dieses Ortes hingebe. Und genau das werde ich 2024 machen.
Wir fahren sehr viel Straßenbahn in Helsinki und erkunden viele Cafés auch in Wohngegenden, die wir nur angeschaut haben, weil wir specialty coffee lieben. Außerdem sind Cafés für mich schöne Pausenorte, um Energie für den nächsten neuen Eindruck zu sammeln.
Wir fahren mit einer schnellen, langen Rolltreppe tief in die Felsen von Helsinki, um uns eine U-Bahn-Station anzuschauen. Die Station ist eine riesige in Felsen gehauene Halle und warm ist es hier auch. Dann besichtigen wir eine in die Felsen gebaute Kirche, mit einem Dach aus Betonstreben durch die wir den sich schnell ändernden Himmel beobachten, der auch die Lichtverhältnisse in der Kirche beeinflusst.
Nach einem weiteren Kaffee in einer Rösterei und einem anschließenden Spaziergang durch das Botschaftsviertel von Helsinki ist es Zeit, auf der Fähre nach Stockholm einzuschiffen. Das Schiff ist offizieller Carrier für Santa Claus, wie uns ein Emblem am Rumpf mitteilt. Als wir ablegen, ist es dunkel und wir stehen draußen an Deck und schauen zu, wie der Kapitän das Schiff durch die engen Schären im Hafen und vor Helsinki manövriert.
Am nächsten Morgen stehen wir rechtzeitig auf, als die Fähre in den schwedischen Schärengarten fährt. Wir fahren sehr dicht an den felsigen Schären vorbei und können einigen Menschen ins Wohnzimmer gucken. Langsam wird es hell und wir erleben den Sonnenaufgang über den Schären. Zauberschön!
Stockholm
In Stockholm haben wir nur wenige Stunden und auf meinem Plan steht die königliche Bibliothek mit der Teufelsbibel. Ein Buch, das die Schweden im dreißigjährigen Krieg aus Prag gestohlen haben und in einem Tresorraum im Keller der königlichen Bibliothek aufbewahren.
Das Buch ist 70 Zentimeter hoch und angeblich in 24 Stunden von einem Mönch geschrieben worden. Weil das natürlich nicht einfach so geht, muss der Teufel ihm geholfen haben. Wissenschaftler*innen haben herausgefunden, dass das Buch tatsächlich nur von einer Person geschrieben wurde, die wahrscheinlich ihr ganzes Leben dafür gebraucht hat.
Ich schaue mir das imposante Buch in seinem Glas-Stahl-Kasten genau an. Blättern kann man in der Digitalen-Kopie. Auch die Tür zum Tresorraum betrachte ich ausführlich und mache Fotos. Welche Diebesbande könnte in einem schönen Heist-Roman, wie und für wen dieses Schätzchen stehlen?, fragt das Krimiautorinnengehirn.
Stockholm ist mir zu laut und zu hektisch. Außerdem regnet es in strömen. Wir gehen trotzdem durch die Stadt und kehren in zwei specialty coffee Cafés ein. Auch da ist es laut und geschäftig. Sehr ungewohnt nach den ruhigen Tagen.
Zum Glück ist es bald Nachmittag und wir beziehen unser Liegewagenabteil im Nachtzug nach Hamburg. Ich verschlafe das zweimalige Tauschen der Lokomotive und die Fahrt über die Brücke über den großen Belt von Malmö nach Kopenhagen. Mit dem Regionalzug fahren wir von Hamburg nach Kiel und sind rechtzeitig zum Frühstückskaffee in unserem Lieblingscafé in Kiel.
Alltagsgewohnheit pflegen – Kaffeetrinken im Bakeliet
Wenn ich in Kiel bin, gehe ich so gut wie täglich ins Bakeliet zum Kaffeetrinken und Klönen. Am frühen Morgen treffen sich die Stammgäste, um gemeinsam in den Tag zu starten. Manchmal schnacke ich mich fest und bleibe mehrere Stunden.
Im Café recherchiere ich, wenn ich mich mit einem Polizisten unterhalte. Ich lerne neue Wörter von den Student*innen, die im Café arbeiten. Und ich genieße die Freiheit, in meinem Tempo in den Tag starten zu können.
Über das Jahr habe ich meine Kaffeekenntnisse vertieft. Einfach durch den regelmäßigen Café-Besuch und auch gezielt mit einem Kurs über Kaffee und Kaffeezubereitung. Ich gucke auch gerne beim Rösten zu und rate, welche Bohnen im Röster sind.
Aus den morgendlichen Treffen hat sich ein Philosophie-Stammtisch einmal im Monat am Abend entwickelt, ein paar von uns waren kurz vor Weihnachten in der Kieler Oper und wir haben uns den Fallstaff angesehen und vor allem angehört. Am Wochenende waren wir auch schon spontan nach dem Kaffeetrinken in einer Kunstausstellung in der Stattgalerie.
Im Sommer haben wir uns zum Schwimmen in der Kieler Förde verabredet und ich hatte einen der schönsten Sommervormittage in diesem Jahr, als wir mit dem Fahrrad Richtung Sonne gefahren sind und dann im kalten Fördewasser geschwommen sind.
Für mich ist das Café mein zweites Wohnzimmer, in dem ich tolle Menschen treffe, bevor ich den Rest des Tages meistens alleine verbringe und wenn ich zwischendurch mit jemanden schnacken möchte, gehe ich rüber und ganz oft kommt jemand Nettes vorbei, den oder die ich kenne.
Vor allem im Sommer gehe ich nachmittags rüber und schreibe an einem der Tische draußen vorm Café. Das klappt gut. Manchmal sitze ich hinten im Café zum Schreiben. Manchmal verabrede ich mich dort auch zum Schreiben. Manchmal klappt das auch. Manchmal lache und erzähle ich dann aber auch nur mit meiner Schreibverabredung.
Manchmal haben wir morgens alle ein Buch dabei und lesen zusammen. Das ist auch besonders schön. Zwischendurch erzählen wir uns von unseren Büchern und ich lerne interessante Bücher kennen, die sonst niemals meinen Weg kreuzen würden, wie „eröffnet ein Ork ein Café“.
An manchem Morgen sitze ich alleine auf unserem Stammplatz, schreibe meine Morgenseiten, träume aus dem Fenster und genieße meinen Kaffee.
Manchmal spricht mich ein Krimileser an und fragt mich, wann mein zweites Buch fertig ist. Oder erzählt, dass er meinen Krimi „Taval und die nackte Katze“ gelesen hat oder dass ihr meine Krimikurzgeschichte „Der Strohfigurenmord“ besonders gefallen hat.
Neulich hat jemand zu mir im Café gesagt, du bist ja voll der Lokalpromi, weil er in den Kieler Nachrichten gelesen hat, dass ich beim zweiten Kieler Krimi Festival dabei bin.
Besuch des 1. Kieler Krimi Festivals und mein Wunsch erfüllt sich
Ende März war ich mit meiner Freundin Tanja bei der Lesung von Eva Almstädt auf dem ersten Kieler Krimifestival. Als wir im Bauch des Theaterschiffs, auf dem die Lesung stattfand, saßen und auf die Krimiautorin warteten, sagte ich zu Tanja: Beim Kieler Krimi Festival wäre ich auch gerne irgendwann mal dabei.
Anfang September hat mich der Organisator des Kieler Krimi Festivals angerufen und mich gefragt, ob ich mir vorstellen kann, bei der Auftaktveranstaltung aus meinem Krimi zu lesen und mit einer Kripo-Beamtin über Realität und Fiktion im Krimi zu sprechen. Moderieren würde die Veranstaltung ein Kieler Buchhändler.
Oh ja! Das kann ich mir vorstellen. Ich habe zugesagt und mich sehr über die Anfrage gefreut. Seit Mitte Dezember ist das Programm für das 2. Krimi Festival Kiel veröffentlicht und die Plakate, auf denen auch mein Name steht, hängen aus.
Die Veranstaltung mit mir „Auftakt mit Lesung und Fachgespräch. Kriminalromane – Fiktion und Wirklichkeit“ ist am Montag 11. März 2024 um 18.30 Uhr im Welcome Center Kieler Förde. Das wird kriminell schön!
Ziele für 2024
- Eine Woche in der finnischen Nationalbibliothek in Helsinki schreiben
- Den zweiten Taval-Krimi fertig schreiben und veröffentlichen
- Ein Krimi-Projekt mit zwei Kolleginnen stemmen
- Das Leben und das Schreiben weiter genießen
- Öfter in der Kieler Förde schwimmen
- Ein Krimi-Projekt für 2025 vorbereiten
- Zweimal pro Monat bloggen
- Mein Motto für 2024 lautet: „Kriminell produktiv“
2 Antworter auf Jahresrückblick 2023: ein Jahr mit verdammt kriminell-glamourösen Momenten