Der Talk Noir Abend in Bremen im Hinterzimmer der Union Brauerei am Brommyplatz war wieder ein toller Abend: Die Ledersofas sind eng besetzt, extra Stühle bis auf den letzten Zentimeter hineingequetscht in den Raum. Mit Krimifans und Krimiexpert*innen leidenschaftlich über drei (diesmal ausnahmsweise vier) Krimineuerscheinungen diskutieren. Bier trinken und lachen. Neben meinem guten Freund Jochen auf dem bequemen Ledersofa sitzen. Zur Vorbereitung drei Bücher lesen, die ich teilweise nicht ausgesucht hätte, die aber meinen Horizont erweitern.
Das erste Buch des Abends: „Im Morgengrauen“ von Tom Bouman
Axel Stiehler, vom Logbuchladen, stellt begeistert das erste Buch des Abends vor. Ich habe nicht nur „Im Morgengrauen“ von Tom Bouman gelesen, sondern auch den Vorgänger „Auf der Jagd“, weil ich auf dem Wortgestalt Buchblog gelesen hatte, dass sonst Kontext für „Im Morgengrauen“ fehlt. Der Meinung bin ich nicht. Beide Bücher stehen gut für sich allein. Nachdem ich mich in den etwas ausschweifenden Schreibstil von Tom Bouman eingelesen hatte, habe ich beide Bücher gerne gelesen.
„Im Morgengrauen“ erzählt aus dem Leben von Officer Henry Farrell, seiner Arbeit als Officer, seiner Nebentätigkeit als Scheunenbauer bei einem Freund, seinen Frauengeschichten und seinem Geigenspiel in der Band „Country Slippers“. Zu Officer Farrells Leben gehört auch, dass er über eineinhalb Jahre an einem Kriminalfall arbeitet. Für mich ist das besondere an diesem Buch: der Kriminalfall ist einfach ein Teil seines Lebens, wie alles andere auch.
Die Geschichte spielt in Wild Thyme, Pennsylvania und ist somit ein Country Noir. Weil eine junge drogensüchtige Frau aus einem Trailer verschwindet, fällt in der Diskussion der Begriff „white trash“. Diesen Ausdruck für die weiße Unterschicht kannte ich noch nicht und finde ihn unerträglich. Ich frage nach. Der Begriff wird im Genre schon sehr lange verwendet. Ein anderer Krimifan erzählt, dass Hannibal Lecter in „Das Schweigen der Lämmer“ zu der FBI-Anwärterin Clarice Starling sagt, sie sei „white trash“.
Das zweite Buch: „Safe“ von Ryan Gattis
Wolfgang Franßen, vom Polar Verlag, stellt „Safe“ von Ryan Gattis vor. Die Idee von „Safe“ finde ich interessant: ein Panzerknacker aus Los Angelas knackt jetzt beschlagnahmte Safes für die DEA und zweigt Geld für einen guten Zweck ab. Er will mit Hilfe einer Freundin Leuten helfen ihren Hauskredit abzubezahlen, nachdem sie nach der Lehmann-Pleite in Zahlungsschwierigkeiten gekommen waren. Der Panzerknacker hat nichts zu verlieren, denn er weiß, dass er bald an Krebs sterben wird.
Das Buch ist aus zwei Ich-Perspektiven geschrieben: der des Panzerknackers Ghost und der von Glasses, rechte Hand eines Gangbosses. Mir war zu viel „Ein-Mann-muss-tun-was-ein-Mann-tun-muss“-Attitüde im Spiel und nach zwei Dritteln habe ich entnervt abgebrochen. Weil ich aber doch irgendwie neugierig war, wie die Geschichte ausgeht, habe ich dann das letzte Drittel im Zug nach Bremen und in der Union Brauerei bis kurz vor Veranstaltungsbeginn gelesen. Das Ende hat mich dann doch überrascht.
Nach den zwei Büchern ist Pause. Die Raucher stürmen nach draußen. Ich bestelle mir ein Keller Pils und ratsche mit den NichtraucherInnen.
Das dritte Buch: „Der dunkle Garten“ von Tana French
Vom dritten Buch des Abends „Der dunkle Garten“ von Tana French habe ich nur die ersten beiden Kapitel gelesen. Ich komme mit dem epischen Schreibstil von French nicht so gut klar. Das ist mir schon bei „Grabesgrün“, dem ersten Buch, das ich von Tana French gelesen habe, so gegangen. Ich hätte sehr gerne gehört, was Anja Goertz, die dritte Krimiexpertin des Abends und Buchpatin, zu dem Buch meint. Leider war Anja an dem Abend nicht da. Ihre Meinung zu dem Krimi hat sie auf bremenzwei gesagt. Nach dem Anhören ist für mich klar: Ich werde dem Buch noch eine Chance geben.
Ausnahmsweise noch ein viertes Buch: „Joe“ von Larry Brown
Weil Anja nicht da war, den anderen beiden „Der dunkle Garten“ nicht gefallen hat und sie nicht ausgiebig über ein Buch sprechen wollten, dass niemand verteidigen wird, gab es noch ein viertes Buch an dem Abend: „Joe“ von Larry Brown. Das Buch habe ich nicht gelesen und werde es auch nach der Vorstellung nicht lesen. Ich habe gerade keine Lust über einen Alkoholikervater und dessen Sohn zu lesen. Dafür werde ich den Vorgänger „Fay“ lesen. Die Geschichte einer 17-jährigen, die von zu Hause wegläuft. Laut Axel Stiehler, ein zum Niederknien gutes Buch.
Darauf noch ein Keller Pils. Das ist übrigens auch sehr empfehlenswert.
Rückfahrt nach Kiel: schreiben und lesen
Am nächsten Tag fahre ich zurück nach Kiel. Im Bremer Bahnhof nutze ich die Wartezeit und schreibe eine handvoll Ansichtskarten. Ich mag mir gerne Geschichten zu den Postkartenbildern ausdenken: Was erzählen sich der Roland und der Heini Holtbeeren? Wer wohnt hinter den Sprossenfenstern in dem weißen Fachwerkhaus? Was haben die Bremer Stadtmusikanten mit der Sögegruppe zu schaffen? Ist der Roland ein Eingang zur Bremer Unterwelt?
Im Zug nach Kiel lese ich „Zero One Dewey“ von Nathan Larson. Das Buch habe ich beim Talk Noir gewonnen. Nach jedem vorgestellten Krimi stellt der Buchpate eine Quizfrage, die im weitesten Sinne mit dem vorgestellten Buch zu tun hat.
„Zero One Dewey“ zeigt mir einmal wieder, wie weit der Begriff Kriminalroman gefasst wird. Für mich ist das Buch eher eine Dystopie mit kriminell handelnden Typen. Ich hätte mir das Buch nie gekauft, aber dann hätte ich eine verwirrte Reise durch ein postapokalyptisches New York mit einem schrägen Typen verpasst.
Die nächsten Talk Noir Termine in Bremen sind am 3. April und am 26. Juni. Der nächste Talk Noir, den ich besuche, ist am 27. März in Hamburg. Bis dahin setze ich mich jetzt aber erstmal regelmäßig an den heimischen Schreibtisch, damit es auch mal wieder ein neues Buch von mir zu lesen gibt.
4 Antworter auf Bücher, Bier und intensive Krimigespräche: Talk Noir Bremen Februar 2019