Mit meiner Freundin Tanja und dem dicken roten Buch „Open Air Galerie Kiel“ von Jens Rönnau habe ich mich schon Ende Mai um das Kieler Rathaus herumgetrieben, aber damals keinen Blogbeitrag geschrieben. Wir haben Kunstwerke im öffentlichen Raum angeschaut und uns gegenseitig aus dem Buch, Infos zu den Kunstwerken vorgelesen. Wir waren nur in einem kleinen Umkreis unterwegs, denn rund um das Kieler Rathaus und im nahen Hiroshimapark gibt es jede Menge Kunst zu entdecken.
Wenn die Phantasie übernimmt
Das Ding links im Bild wollte ich angucken, obwohl es nicht im dicken roten Buch vorkommt. Aber dazu bin ich nicht gekommen, denn ein Mann ist schnurstracks an der Tür vorbei auf die Backsteinwand zu gegangen. Ich habe versucht, nicht zu starren, denn in meiner Phantasie erwartete ich, dass er federleicht die Mauer hinaufklettern und dahinter verschwinden würde. In Tanjas Fantasie hat sich eine Tür in der Backsteinmauer aufgetan und der Mann ist dort hindurchgegangen. In Wirklichkeit hat er nur seine Schlüsselkarte an einen Türöffner an der Backsteinwand links neben dem Eingang zum Rathaus gehalten und ist hineingegangen.
Der kleine Brunnen vor dem Gesundheitsamt
Unser erster Kunstwerkestopp ist der kleine Brunnen vor dem Gesundheitsamt. Die Wasserfläche ist mit einem Deckel verschlossen, weil die Leute Müll in den Brunnen geworfen haben. Den Brunnen mit den beiden Schlangen hatte ich schon wahrgenommen, aber nie die Gesamtgestaltung mit dem Gebäude beachtet. Darauf lenkt das Kunstbuch meinen Blick.
Der Künstler Alwin Blaue hat den Schlangenbrunnen in Zusammenarbeit mit dem Architekten der Hausfassade geplant. Fertiggestellt war der Schlangenbrunnen 1956.
Eine Frau, ein Junge und eine Katze
Ein Stück weiter die Straße hinunter stehen eine Frau und ein Junge. Die beiden habe ich bewusst noch nie wahrgenommen. Beim genauen Betrachten fällt uns auf, dass hinter den beiden noch eine Katze steht. Und der Junge den Schwanz der Katze greift.
Das Kunstwerk steht am anderen Ende des Gesundheitsamts. Auch seit 1956. Das Kunstwerk heißt „Mädchen mit Kind“ ist aus Bronze und von dem Raisdorfer Bildhauer Fritz Duning. Wieder ein Künstler. Beim Schreiben kommt mir die Idee, einen Kunstspaziergang nicht nach räumlichen Kriterien zusammenzustellen, sondern nach Künstlerinnen.
Bei Katze denk ich an Taval
Bei der Katze denke ich an meinen Krimi „Taval und die nackte Katze„, der trotz des Titels kein Katzenkrimi ist. Der Krimi beginnt damit, dass der Hamburger Jesper Taval, frisch aus dem MEK geflogen, nach Kiel zum Katzensitten kommt. Die Katze haut ab und er wird bei der Suche nach ihr in einen Mordfall verwickelt.
Da Taval natürlich im weiteren Verlauf des Krimis damit aufgezogen wird, dass ihm eine Katze abgehauen ist, hätte ich auch gut dieses Kunstwerk ins Buch einflechten können. Kriminalkommissar Reiter hätte bestimmt mit Freude einen falschen Hinweis gegeben, wo Taval die Katze finden könnte und ihn zu der Statue geschickt.
Zurück zum Kunstspaziergang
An der Ecke der Commerzbank wartet ein besonderer Brunnen auf uns. Leider ist er verschmutzt und Menschen haben ihn als Aschenbecher für ihre Kippen benutzt. Dennoch betrachten wir die Details und entdecken eine Schnecke und ein muschelförmiges Becken. Wir stellen uns vor, wie das Wasser aus der Schnecke in das Becken läuft und dann überläuft.
Der Brunnen heißt Sprottenbrunnen und wurde 1982 von Frauke Wehberg (Hurra eine Künstlerin) und Harri Schlapkohl erschaffen. Das Kunstbuch erzählt, dass sich ursprünglich eine Sprotte aus Bronze in dem Granitbrunnen befand, die aber gestohlen wurde.
Mittagspause
Ich trinke mein erstes Alster seit zwei Jahren. Aber ich trinke es nicht aus. Ein paar Schlucke reichen schon und mir wird schwindelig. Mein Körper verträgt immer noch keinen Alkohol. Dann gibt’s eben keinen Alkohol, dafür leckeres Essen.
Von meinem Platz aus kann ich die Statue von der Frau und dem Jungen sehen. Ich frage mich, warum sie mir noch nie aufgefallen sind. Aber eigentlich muss ich mich das nicht fragen, so ist das eben mit der selektiven Wahrnehmung.
Der Bronzetyp mit dem Schwert
Nach dem Essen gehen wir auf den Rathausplatz und besuchen als erstes den Schwertträger. Der Kerl ist ziemlich groß, auf seinem Hintern kleben zahlreiche Aufkleber und über seinen linken Daumen hat jemand ein Haargummi gefummelt. Ich finde, seine Zehen sehen aus als würde er als alter Mann Hammerzehen bekommen.
Der Bronzetyp heißt offiziell Schwertmann und ist von Adolf Brütt. Drei Meter hoch ist er, verrät das Kunstbuch und seit 1912 steht er auf dem Rathausplatz. Ursprünglich an einer anderen Stelle, seit 1972 dort wo er jetzt steht. Der hat sicherlich so einiges beobachtet in den vielen Jahren auf dem Platz.
Ach, das ist kein Lüftungsschacht
Das nächste Kunstwerk habe ich jahrzehntelang für einen Lüftungsschacht gehalten. Bei genauerem Überlegen weiß ich nicht so genau, wofür der Lüftungsschacht sein sollte. Ich hatte einfach angenommen, irgendwas mit Rathauskeller, nicht weiter drüber nachgedacht und auch nicht genauer hingeschaut.
Die Augen geöffnet durch das dicke rote Buch, sehen wir einen Kopf und einen Oberkörper aus Messingblech. Das Kunstwerk heißt Nachbar und wurde 1972 von Jan Koblasa geschaffen. Ursprünglich stand der Schwertmann in der Nähe, also in der Nachbarschaft.
Der freundliche Typ vorm Opernhaus
Den munteren Gesellen vorm Opernhaus habe ich allerdings schon wahrgenommen und oft neben ihm in der Sonne auf der Steinbank gesessen. Bei unserem Kunstspaziergang stelle ich fest, dass das ein schöner Platz zum Beobachten und Schreiben ist. Das nehme ich mir vor, habe das aber bis heute noch nicht umgesetzt.
Der freundliche Typ heißt „Bonne fée de la maison – Guter Hausgeist“, ist aus Bronze, sitzt seit 2003 vor dem Opernhaus und wurde von dem estnischen Bildhauer Tauno Kangro geschaffen. Kein Wunder, dass ich gerne bei dem sitze, wenn er ein guter Hausgeist ist.
Das ist ganz schön hoch
Schon oft bin ich an der Metallröhre vorbeigegangen. Noch nie habe ich sie wirklich beachtet und genauer betrachtet. Ich gehe um die Metallröhre herum. Berühre sie. Horche, ob die Metallröhre irgendeinen Sound macht. Nein, macht sie nicht. Dann lege ich den Kopf in den Nacken und schaue an der Metallröhre entlang bis in den Himmel. Die ist ganz schön hoch.
Die Metallröhre heißt Kiel-Säule, sie ist aus Edelstahl und eine Auftragsarbeit von dem Bildhauer Erich Hauser. Seit 1971 ragt sie neun Meter hoch in die Luft am Kleinen Kiel.
Der übersehene Kreis aus zerbrochenen Steinen
Ein weiteres bisher von mir übersehenes Kunstwerk betrachten wir im Hiroshimapark. Der Kreis ist aus zerbrochenen Steinen und hat bestimmt mehr als zwei Meter Durchmesser. Wir zählen zehn Bruchstücke. Ich mag, wie die Natur durch die Fugen wächst.
Tanja liest aus dem Kunstbuch vor, dass der gebrochene Steinkreis aus Muschelkalkstein besteht, tatsächlich gut zweieinhalb Meter Durchmesser hat und 1978 von Dieter Koswig geschaffen wurde. Im Kieler Hiroshimapark, der damals noch Bismarckanlagen hieß, liegt der gebrochene Steinkreis seit 1983.
Das Wasserspiel im Hiroshimapark
Das letzte Kunstwerk auf unserem Kunstspaziergang habe ich lange einfach für ein lustiges Wasserspiel gehalten und nicht für ein Kunstwerk. Im Sommer toben und kreischen die Kinder durch die Wasserfontainen, die scheinbar zufällig senkrecht nach oben spritzen oder nicht.
In die Mitte zu laufen ist eine große Mutprobe, weil das Wasser ja jederzeit wieder anfangen könnte zu sprudeln. In Wirklichkeit funktioniert das nicht zufällig, sondern mit Lichtschranken. Das habe ich aber auch erst gelernt, als ich zum ersten Mal mit meinem Mann zum Wasserspiel gegangen bin. Tanja hat es auf unserem Kunstspaziergang von mir gelernt.
Das Kunstwerk sprudelt seit 2004 im Hiroshimapark (außer im Winter), heißt Changing Invisibilty und ist von dem dänischen Künstler Jeppe Hein.
Zum Abschluss nen Kaffee
Nach so viel Kunst gibt’s natürlich nen leckeren Kaffee zum Abschluss. Tanja und Taval trinken Americano. Ich trinke Cappuccino. Für heute reicht’s dicke, aber wir freuen uns schon auf den dritten Kunstspaziergang. Unser erster Kunstspaziergang hatte uns auf das Gelände der Uniklinik und um die Kunsthalle herum geführt: Kunstspaziergang (1) durch die Kieler Open Air Galerie oder den Kreativbrunnen gefüllt.