„Kannst du mir ein paar Tipps zum Morgenseitenschreiben geben?“ Diese Anfrage habe ich heute in meinen privat Nachrichten auf Instagram gefunden. Das passt prima, weil ich sowieso schon ewig über Morgenseiten bloggen wollte.
Die Morgenseiten sind eine Grundtechnik, die Julia Cameron in ihrem Buch „Der Weg des Künstlers“ zur Aktivierung der Kreativität empfiehlt. Nach der Definition von Cameron sind „die Morgenseiten drei Seiten ohne Abkürzung, die streng dem Bewusstseinsstrom folgen“ (Cameron, Der Weg des Künstlers 2000, S. 33/34).
Die Morgenseiten werden mit der Hand geschrieben. Cameron sagt, wir sollen die Morgenseiten nie auslassen, darüber nicht verhandeln. Ich sehe das mittlerweile ein bisschen anders. Ich schreibe so gut wie an jedem Tag meine Morgenseiten, aber nicht streng jeden Tag. Und ich schreibe sie auch nicht als allererstes am Tag.
Zum ersten Mal begonnen Morgenseiten zu schreiben, habe ich im Juni 2002. Das ist mir nicht besonders gut gelungen. Ich erinnere mich noch an die Kämpfe, die ich mit mir selber ausgefochten habe, weil ich morgens nicht geschafft habe, die Morgenseiten zu schreiben. Rückblickend war ich viel zu streng mit mir.
Die Morgenseiten und ich hatten einen sehr holprigen Start. Immer wieder habe ich versucht, mit den Morgenseiten zu beginnen. Mehrere Jahre hab ich gar nichts geschrieben und seit 2020 schreibe ich sehr regelmäßig meine Morgenseiten. Nicht täglich, aber so gut wie täglich. Und das tut mir richtig gut.
In den Morgenseiten lasse ich alles aufs Papier fließen, was mir durch den Kopf geht. Manchmal springe ich in Themen hin und her. Manchmal weine ich erst mal ein bisschen aufs Papier oder klage über dies und das. Das sortiert meistens meine Gedanken und Gefühle. Meine Stimmungen und Emotionen finden einen Platz auf dem Papier.
Manchmal strukturiere ich meinen Tag auf den Morgenseiten, wenn ich das Gefühl habe, ich hab unglaublich viel vor und irgendwie kann ich das alles gar nicht schaffen. Dann schreibe ich das auf und plötzlich bekommt es eine Struktur und wird greifbar. Und ich erkenne,was wichtig ist und was ich weglassen kann.
Manchmal sprudel ich Ideen auf die Morgenseiten. Ideen für neue Krimis. Ideen für Geschichten, bei den ich nicht weiterkomme oder allgemein einfach Ideen zu allem Möglichen.
Manchmal rede ich mit mir selbst in den Morgenseiten. Also ich spreche mich mit meinem Namen an. Dann schreibe ich mir Mut zu, oder ich schreibe, dass das, was der innere Kritiker sagt, gar nicht stimmt und erkläre, wie es wirklich ist. Ich lobe mich in den Morgenseiten und bin einfach freundlich zu mir.
Mit den Jahren habe ich gelernt, die Morgenseiten-Praxis so anzupassen, dass sie zu mir passt und ich sie wirklich auch regelmäßig schreiben kann. Drei Seiten ist die Vorgabe von Julia Cameron. Eine Zeit lang waren das bei mir drei DIN-A5 Seiten und es waren auch schon mal drei DIN-A6 Seiten, weil mehr einfach irgendwie nicht ging.
Mittlerweile sind es wieder drei DIN-A4 Seiten. Ich benutze dafür einen Collegeblock, von dem ich einen Vorratsstapel in einer meiner Schreibtisch-Schubladen habe. Zur Zeit benutze ich verschiedene farbige Stifte, d.h. wenn ich stocke, wechsle ich einfach den Stift und damit die Farbe. das verhindert, dass ich stocke und aus dem Fenster schaue. Stattdessen schreib ich mit einer anderen Farbe weiter. Das sieht nach dem Schreiben dann auch schön bunt aus.
Ich schreib die Morgenseiten nicht sofort nach dem Aufwachen. Das habe ich versucht, aber das hat mir nicht gutgetan. Eine Zeit lang hab ich die Morgenseiten im Bett geschrieben, aber dann bin ich nicht gut in den Tag gestartet, weil es mir schwer gefallen ist, danach aufzustehen.
Jetzt stehe ich also zuerst auf, frühstücke und schreibe dann die Morgenseiten. Das mache ich zu Hause gemütlich auf dem Sofa oder am Esstisch. Phasenweise auch am Schreibtisch. Zwischendurch schreibe ich die Morgenseiten auch mal im Café. Im Sommer gern auf dem Balkon, weil morgens die Sonne auf meinem Balkon scheint. Also ganz früh morgens und nur für ganz kurze Zeit.
Cameron schlägt vor, die Morgenseiten am Anfang einfach auf Papier zu schreiben und das Papier nach dem Schreiben in einen Briefumschlag zu stecken und sie nicht wieder anzuschauen. Denn es geht nicht darum die Morgenseiten nochmal zu lesen oder gar jemand anderem das Geschriebene zu zeigen, sondern es geht darum sie zu schreiben.
Manchmal finde ich das schade, weil ich tolle Ideen hatte und ich einfach oft meine Schrift nicht mehr lesen kann. Trotzdem mache ich Markierung an den Rand, wenn ich etwas besonders spannend finde oder besonders wichtig. Aber eigentlich sind die Morgenseiten dazu da das Gehirn zu entleeren und den Stift über das Papier gleiten zu lassen. Immer weiter und immer weiter.
Hier kommen meine sechs Tipps für die Morgenseiten:
- Probier verschiedene Formate für dich aus. Drei DIN-A4 Seiten oder kleinere Seiten.
- Experimentiere mit verschiedenen Zeiten. Vielleicht wirklich direkt nach dem Aufwachen oder erst nach dem Frühstück.
- Such dir einen schönen Ort, an dem du die Morgenseiten schreibst.
- Nimm dir ausreichend Zeit. Ich schreibe 20-30 Minuten.
- Sei geduldig mit dir. Bei mir hat es ein Jahrzehnt gedauert, bis ich überhaupt regelmäßig Morgenseiten geschrieben habe. Dann gab’s noch mal eine längere Pause und jetzt mache ich das wieder regelmäßig.
- Fang einfach an, Morgenseiten zu schreiben.