Heute habe ich gemacht, was gestern noch eine theoretische Überlegung war: Ich habe aus meinem Fensterbankbücherregal ein Buch nach Lust und Laune ausgesucht. Zuerst habe ich nach „Sandberg“ von Joanna Bator gegriffen. Das Buch habe ich mir mal gekauft, weil ich anfangen wollte, Bücher aus Polen zu lesen. Daraus ist bisher nichts geworden und auch heute habe ich das Buch wieder zurückgestellt. Denn es ist ein dickes Buch und ich wollte es mit in den Garten nehmen. Deshalb habe mich für ein dünneres, leichteres Buch entschieden.
„Verbrecher und Versager. Fünf Porträts“ von Felicitas Hoppe. Porträt eins: Schiffsgärtner
„Verbrecher und Versager. Fünf Porträts“ von Felicitas Hoppe ist ein dünnes Buch und damit gewichtsmäßig leicht. Leichte Lektüre ist es damit noch lange nicht. Trotzdem habe ich mich mit drei von den fünf Porträts im Garten in der Hängematte vergnügt. Das erste Porträt ist über Georg Meister. Einen Gärtner. Genauer einen Schiffsgärtner.
Gärtner*innen: ein tolles Schreibthema
Ich sitze im Garten in meiner Hängematte und schaue durch das üppige Grün. Mein Gehirn findet Gärtner*innen ein tolles Schreibthema: Friedhofsgärtner*innen, Schrebergärtner*innen, Gärtner*innen im Botanischen Garten, Obstgärtner*innen, Gärtner*innen im Garten Eden, Schloßgärtner*innen, Gärtner*innen der Royal Botanic Gardens und Landschaftsgärtner*innen. Das wären sicher spannende Personen für eine fiktive Porträt-Sammlung.
Eine staatlich legitimierte Killerin
„Ich bin staatlich legitimierte Killerin.“ Mit diesen Worten hat sich mir eine Frau in einem grauen Hosenanzug auf einer Abendveranstaltung der Business Professional Women Kiel vorgestellt, nachdem ich gesagt habe, dass ich Krimiautorin bin. Mein Gehirn zuerst: Wow! Die Frau frage ich aus. Dann: Nein. Das gibt es nicht und wenn, würde sie es nicht direkt und laut erzählen. Wir haben dann ein sehr angeregtes Gespräch über giftige Pflanzen und Pflanzenschutzmittel geführt.
Porträt zwei: Schillers Mitbewohner
Nachdem ich die Hälfte meines Rasens gemäht habe, setzte ich mich wieder in die Hängematte und lese das nächste Porträt über „Franz Joseph Ernestus Antonius Emerentius Maria Kapp“, den Mitbewohner von Schiller aus der Sicht der Zimmerwirtin erzählt. Die Geschichte spricht mich nicht so an, aber die Art und Weise, wie Felicitas Hoppe Details verwebt gefällt mir. Zum Beispiel nennt sie Kapp einen Kindskopf und später schreibt sie: „Heidenmissionar möchte er werden, und ich sage, Kapp geh nach Afrika, da ist es heiß, auch Kindsköpfe schrumpfen.“ (Zitat Felicitas Hoppe „Verbrecher und Versager“ S. 40).
Porträt drei: ein Botaniker
Wieder Rasen mähen. Wieder in die Hängematte. Wieder ein Porträt lesen. „Franz Wilhelm Junghuhn“. Die Geschichte finde ich wieder interessant. Ob’s am Garten liegt? Denn Junghuhn war Botaniker. „Sein Herz lässt Freundschaft nicht zu, es ist schon an die Botanik vergeben.“(Zitat Felicitas Hoppe „Verbrecher und Versager“ S. 80). Hoppe erzählt, dass Junghuhn in Java für die Holländer aus den Anden geraubte Samen der Chinarinde kultivieren soll. Das gelingt ihm nicht; kurz nach seinem Tod gedeiht die Chinarinde prächtig und Holland ist drin im Chinin-Geschäft.
Tolle, beklemmende Textstelle
Auch in diesem Porträt finde ich wieder viele tolle Sätze und Bilder: „Also geht Junghuhn auf die Reise. Doch in jeder Falte des Reisemantels steckt der Vater samt Drohung, Gesicht und Befehl.“ (Zitat Felicitas Hoppe „Verbrecher und Versager“ S. 76). Hoppe malt noch weiter aus, wo der Vater überall steckt: zwischen Schuh und Sohle, im Rucksack, unter derselben Decke. Da habe ich Beklemmung gefühlt beim Lesen und fand den Text gleichzeitig großartig.
Noch zwei Porträts und ein neues Buch
Zwei Porträts habe ich noch vor mir: „John Hagenbeck“ und „Leonhard Hagebucher“. Hagebucher ist im Gegensatz zu den vier anderen eine erfundene Person. Ein neues Buch habe ich auch gefunden. Die Buchwerbung hinten im Buch hat bei mir funktioniert: „morite in levitate.“ von Marlene Streeruwitz habe ich mir gleich bestellt.