Mein Schreibtisch ist seit einer Woche aufgeräumt. Auf dem Schreibtisch stehen immer schöne bunte Schreibtischblumen. Ich habe tolle Schreibprojekte vor. Ich mag meinen Blog. Ich habe Ideen. Ich bin gesund. Aber ich schreibe nicht.
Das Leben ist dazwischen gekommen, erzähle ich mir. Das stimmt auch. Ich gehe gerade mit einigen privaten Herausforderungen um und die Welt finde ich gerade auch belastend – Corona, das Klima, Überflutungen, die Bundestagswahl, Afghanistan.
Eine leise Stimme fragt zwischendurch, warum ich nicht über all das schreibe. Ich brauche es nicht mal veröffentlichen. Aber Schreiben ist eine hilfreiche Ressource für mich, um mit belastenden Situationen umzugehen. Nein, geht nicht. In meinem Leben ist grad zu viel anderes los.
Dennoch vermisse ich das Schreiben. Zum Glück habe ich meine Schreibfreundin Claudia. Die vermisst das Schreiben auch gerade. Wir reden über Zoom drüber. Ich sage, das Leben ist dazwischen gekommen. Sie sagt, aber 10 Minuten gehen doch eigentlich immer. Stimmt, sage ich. Was machen wir jetzt?, fragt Claudia. Wir schreiben zehn Minuten, sage ich. Au ja, sagt Claudia.
Wir gehen los, unsere Notizbücher und Füller holen (Ich zoome am Esstisch und nicht am Schreibtisch). Claudia hat ein tolles Thema, ich einen Timer. Und dann kann ich nicht los schreiben, weil meine Tintenpatrone leer ist. So richtig leer. Also eingetrocknet leer. Ich hole eine Neue. Dabei fällt mir ein, dass ich schon lange neue Patronen kaufen wollte. Zum Glück sind noch zwei in der Schachtel. Das reicht ja.
Nein, tut es nicht. Für mein Unterbewusstsein reichen zwei Patronen nicht. Da kann es nicht verschwenderisch Freewritings machen. Da muss es Tinte sparen für die wirklich wichtigen Worte. Dabei sind alle Worte wirklich wichtig. Jedes geschriebene Wort ist wichtig.
Nicht alle sind zur Veröffentlichung bestimmt. Nicht alle sind gut. Aber wichtig sind sie alle. Sie müssen alle geschrieben werden und dafür braucht mein Unterbewusstsein oder meine innere Künstlerin ausreichend Tintenpatronen in Reserve. Das wusste ich bisher nicht. Das ist mir heute erst aufgefallen.
Außerdem darf mein Schreibtisch nicht quietschen und schaben. Das hat er seit ein paar Tagen gemacht. Einer der Gumminupsis, der zwischen Glasplatte und Metallständer liegt, war heraus gefallen. Deswegen hat der Schreibtisch gequietscht und noch unangenehmer ein schabendes Geräusch von Glas auf Metall gemacht. Und ich habe versucht, es zu ignorieren. Schreiben ist ja eh grad nicht.
Im Zehn-Minuten-Schreiben mit Claudia habe ich mir heute in einem Freewriting erzählt, dass ich wütend auf mich bin, weil ich nicht schreibe. Dass ich das Leben, das zunächst wirklich dazwischen gekommen war, inzwischen als feine Ausrede benutze, um nicht zu schreiben und dass ein paar Texte geschrieben werden wollen, vor denen ich Respekt oder sogar Angst habe. Die möchte ich nicht alleine schreiben.
Außerdem erzähle ich mir, dass ich alle Ressourcen nutzen soll, um wieder zu schreiben. Weiterhin soll ich bitte mehr um Hilfe fragen. Da ich noch nicht speziell weiß für was, soll ich genau das herausfinden. Ganz genau weiß ich allerdings, dass ich gerade das gemeinsame Schreiben mit Claudia mag und dass ich mehr davon möchte und brauche.
Claudia geht es genauso und wir sind für Montag zum Zehn-Minuten-Schreiben verabredet. Nach unserem Schreiben und dem anschließenden Gespräch bin ich erfüllt und motiviert. Ich suche den Gumminupsi vom Schreibtisch. Finde ihn im Papierkorb und schiebe ihn wieder zwischen Glasplatte und Metallständer. Sehr gut. Da quietscht und schabt nichts mehr.
Morgen kaufe ich einen großen, nein einen riesen Vorrat Tintenpatronen. Dann steht dem Schreiben nichts mehr im Weg.
6 Antworter auf Zehn Minuten gehen immer oder das Leben, Tintenpatronenmangel und ein fehlender Gumminupsi verhindern vermeintlich mein Schreiben